MODELLBAUWETTBEWERB 1


,,Modellbau-Wettbewerb. Ist das möglich?”

Die Frage ist berechtigt.
Die Antwort ist:

,,Ja, wenn mann gewisse Einschränkungen akzeptiert.”

Welche sind diese Einschränkungen?

Die erste und größte ist, dass man einsehen muss, dass nie objektiv festgestellt werden kann, wie gut ein Modell ist. Kein Veranstalter des Modellwettbewerbs in Skandinavien behauptet, dass er dass kann, und in der Praxis akzeptieren das alle Teilnehmer.

Ein Modellwettbewerb basiert auf menschlicher Bewertung.

Dagegen hat sich unter Plastikmodellbauern eine Tradition der Bewertung entwickelt, wie wir Modelle betrachten. Auch wenn Modellwettbewerbe sich von einander unterscheiden, ist die Grundidee die gleiche. Mann muss sich auch klar darüber sein, dass diese Tradition, nicht die einzige Art und Weise ist, wie man an Modelle herangehen kann.
Ein Modell kann eine technische Dokumentation sein, wie Museumsmodelle, oder Modellbau kann ein künstlerisches Ausdrucksmittel sein.

Die zweite Einschränkung ist, dass es wichtige Aspekte des Modellbaus gibt, die nicht gerecht bewertet werden können. Mehr darüber später.

 

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WAS WIRD AN EINEM MODELLWETTBEWERB BEWERTET?

Das variiert ein wenig zwischen den Wettbewerben. Bei 08-OPEN wird nur das sichtbare Ergebnis des Modellbauers bewertet.

Jedes Modell wird nach vier Kriterien bewertet.

[box]1. Gesamteindruck

In Kürze bedeutet das, dass man bewertet, wie realistisch, oder überzeugend, das Modell ist. An manchen Modellen kann man sofort sehen, dass sie schlecht oder gut gebaute Plastikbausätze sind. Die bekommen niedrige oder mittelstufige Punkte. Andere Modelle vermitteln uns den Eindruck, dass sie direkt aus der Wirklichkeit stammen, und in einer verkleinerten Ausgabe vor uns stehen.
Diese bekommen eine höhere Punktzahl.

Der Gesamteindruck ist das subjektivste Kriterium.[/box]

[box] 2. Baugeschicklichkeit

Die Bewertung der Baugeschicklichkeit ist eine technische Bewertung, wie gut die Modellbauarbeit durchgeführt ist. Die Richter schauen danach, ob das Modell gerade ist, ob Tragflächen und Fahrwerke der Flugzeuge nicht schief sind, ob alle Räder eines Kraftfahrzeugs auf der Unterlage stehen (wenn das Fahrzeug auf einer ebenen Unterlage steht) usw.

Die Richter schauen auch danach, wie gut der Modellbauer Fugen verspachtelt und abgeschliffen hat, und dass Grat und ähnliches entfernt sind.[/box]

[box] 3. Bemalung und Finish

Diese ist eine technische Bewertung, wie gut die Bemalung und die Dekalierung gemacht ist. Bei der Bemalung schauen die Richter nach sichtbaren Pinselstrichen, ,,Oranjenhaut”, Staub und Schmutz in der Farbschicht, wie genau die Maskierungsarbeit gemacht ist, ob diffuse Farbgrenzen wohl durchgeführt sind, und wie konsequent der Modellbauer mit Farbtönen gearbeitet hat.

Bei der Dekalierung gilt, dass die Abziehbilder wohl zentriert sein sollen, dass der Modellauer den Trägerfilm gut versteckt hat, und dass sich die Abziehbilder in der umgebenden Bemalung gut einfügen.[/box]

[box]4. Detaileindruck

Hier schauen die Richter danach, wie gut und wie konsequent detailiert das Modell ist. Es ist nicht die Menge der Details, die entscheidend ist, sondern wie gut die Detailarbeit durchgeführt ist, und dass das ganze Modell ausgewogen detailiert ist.

Die Richter schauen auch danach, wie wohl der Modellbauer die Oberflächendetails hervorgehoben hat.[/box]

 

Bei Dioramen wird ein fünftes Kriterium, Idee und Komposition, bewertet.

Wie gut erzählt der Modellbauer eine Geschichte?

Ein gut gebautes Diorama lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters, macht ihm deutlich was passiert, und bringt ihn darüber hinaus dazu zu fantasieren, was früher geschah, und was nach dem dargestellten Geschehen passieren wird.

Diese Bewertungskriterien sind das Ergebnis einer langen Entwicklungsarbeit der Modellbauer und Richter, und genießen unter Modellbauern große Anerkennung.

 

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WAS WIRD BEIM 08-OPEN NICHT BEWERTET?

Wir bewerten nicht wie historisch korrekt das Modell im Vergleich zu seinem Vorbild ist. Das würde nämlich verlangen, dass die Richter die gleichen gründlichen Kenntnisse von allen Modellen in der zu beurteilenden Klasse haben. Das ist in der Praxis unmöglich. Auch wenn so eine Person wider Erwarten zu finden wäre, ist es unmöglich einen ganzen Richterstand zu versammeln, wo sämtliche Richter alles über die Vorbilder der zu beurteilenden Klassen wissen. In vielen Fällen ist es auch unmöglich festzustellen, wie ein gewisses Vorbild zu einem bestimmten Zeitpunkt aussah.

Ein Beharren auf historischer Korrektheit würde auch viele Figuren, und alle ,,What if” Modelle z.b. Tamiyas Focke-Wulf Ta 183 Hückebein von der Bewertung ausschließen.
In der Geschichte des Modellwettbewerbs gibt es auch viele Beispiele dafür, dass Modelle schlechte Punkte bekommen haben, weil die Richter dachten, dass das Modell historisch inkorrekt sei, obwohl der Modellbauer die Korrektheit des Models dokumentieren konnte.

Für einen Modellbauer der sich viel Mühe dabei gegeben hat, das Aussehen seines Vorbilds zu einem gewissen Zeitpunkt zu recherchieren, und das Model dementsprechend umgebaut hat, kann es natürlich als unfair erlebt werden, dass seine Arbeit nicht belohnt wird. IPMS-Tschechien haben versucht, das zu lösen. Sie verlangen, dass der Modellbauer seinem Modell eine Dokumentation beifügt. Das Problem ist aber, dass die Modelle mit ihrer Dokumentation zu vergleichen, so einen großen Zeitaufwand bedeutet, dass es unmöglich wird, alle Modelle bei einem großen Wettbewerb zu bewerten.

Wir bewerten nicht den Schwierigkeitsgrad des Models.

,,Schwierigkeitsgrad” ist ein schwer zu definierender Begriff. Das, was ein Modellbauer schwierig findet, hängt in hohem Maße davon ab, woran er gewöhnt ist, und welche Werkzeuge ihm zu Verfügung stehen.

Andere Wettbewerbe bewerten den ,,Schwierigkeitsgrad”, und haben Listen dazu gemacht, was schwierig und was leicht ist.

Das Problem ist aber, dass andere Modellbauer, inklusive der Verfasser, eine ganz andere Meinung dazu haben, was schwierig und was leicht sei.
Es stellt sich auch die Frage, ob es interessant ist, oder einen Zweck erfüllt, den ,,Schwierigkeitsgrad” zu bewerten. Für denjenigen, der ein Musikstück hört, oder sich einen Film, ein Gemälde oder irgendein Kunstwerk anschaut, ist es wenig interessant, ob es schwierig war, das Kunstwerk zu schaffen. Das Interessante ist, ob das Kunstwerk überzeugt.

Wir denken, dass das auch für Modelle gilt.

Wir bewerten nicht den Arbeitsaufwand, den die Herstellung des Models kostet.

Das würde verlangen, dass der Modellbauer eine Stundenliste beifügt.
Es würde auch die Modellbauer benachteiligen, die einfache und arbeitssparende Methoden entwickeln, um Probleme zu lösen.
Leider sehen wir manchmal auch Modelle, von denen wir wissen, dass an ihnen viel gearbeitet wurde, aber trotzdem sind die Ergebnisse leider nicht beeindruckend.

Wir nehmen keine Rücksicht auf die Qualität des Bausatzes.

Das würde nämlich bedeuten, dass die Richter die Qualität aller Bausätze der zu beurteilenden Klasse kennen würden müssen.

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PROBLEME VOR DIE DIE RICHTER UND TEILNEHMER SICH GESTELLT SEHEN.

Probleme, vor die die Richter sich gestellt sehen:

Manchmal kollidieren Bewertungsprinzipen miteinander, und Grauzonen entstehen. Das Prinzip, das wir bewerten, nämlich wie realistisch oder überzeugend das Modell ist, kann manchmal mit dem Prinzip kollidieren, dass wir nicht bewerten, wie historisch korrekt das Modell ist.
In solchen Fällen müssen die Richter daran denken, dass sie im Zweifelsfall zu jemandes Gunsten entscheiden sollen, und dass sie konsequent die ganze Klasse bewerten müssen.

Probleme, vor die die Teilnehmer sich gestellt sehen:

Als Modellbauer hat man manchmal die Wahl, ob man das Modell nach seinen eigenen Ideen baut, oder ob man das Modell so baut, dass es beim Wettbewerb mit höhen Punkten bewertet wird.
Die selbstverständliche Lösung ist, das Modell nach seinem eigenen Geschmack zu bauen. Ein Modellwettbewerb dauert ein Wochenende, aber der Modellbauer sollte mit seinem Modell zufrieden sein, als es jahrelang in seiner Glasvitrine zur Schau steht.

Enttäuschung über die Bewertung:

Es kann einfach passieren, dass man als Modellbauer enttäuscht darüber ist, dass das Modell, mit dem man sich viel Mühe gemacht hat, nicht besser bewertet wurde.
Dann sollte man sich daran erinnern, dass die Richter nicht bewerten, wie viel Arbeitsaufwand die Herstellung des Models gekostet hat.

Als Modellbauer muss man sich auch klar darüber sein, dass man seine eigenen Modelle nicht objektiv bewerten kann.
Viele Modellbauer, die mit mehreren Modellen an einer Klasse teilgenommen haben, haben die Erfahrung gemacht, dass das Modell, an dem sie Monate lang liebevoll gearbeitet haben, von einem Modell geschlagen wird, an dem sie gar nicht so viel gearbeitet haben.
Hier muss man sich daran erinnern, dass die Richter nur das fertige Ergebnis sehen, während der Modellbauer auch die Arbeit und das Engagement ,,sieht”, das er auf dem Modell geleistet hat.

Das kann auch in die andere Richtung gehen. Als Modellbauer sieht man alle Fehler, die man am Modell gemacht hat, und über die man sich geärgert hat.
Die Richter sehen vielleicht die Fehler nicht, sondern finden andere Qualitäten beim Modell.

Zu diesen Problemen gibt es zwei Lösungen:

Die eine ist, sich zum Richter ausbilden zu lassen. Entweder kann man einen Kurs machen, oder man kann Lehrling bei einem Wettbewerb sein.
Wenn man alle Modelle in einer Klasse zusammen mit einem erfahrenen Richter bewertet, sieht man seine eigenen Modelle mit klareren Augen. Man wird dazu gezwungen, nicht nur zu sagen, dass das ein schönes Modell ist, sondern zu präzisieren, was an dem Modell gut ist, was für den eigenen Modellbau sehr entwicklungsfördernd ist.
Modelle zusammen zu bewerten, ist auch eine sehr gute Weise andere Modellbauer kennenzulernen.

Die andere Lösung ist, dass man an mehreren Wettbewerben teilnimmt.

Wenn man mit denselben Modellen an einem anderen Wettbewerb teilnimmt, unterscheiden sich oft die Ergebnisse. Es sind andere Richter, und vielleicht sind die Bewertungskriterien ein wenig anders. Auch praktische Umstände, wie das Licht, und wie eng oder weit auseinander die Modelle stehen, sind von Wettbewerb zu Wettbewerb unterschiedlich, was die Wahrnehmung der Modelle beeinflusst.

Verfolgt man die Platzierungen allerdings über einen längeren Zeitraum, so lässt sich ein hohes Maß an Übereinstimmungen feststellen.
Selbst wenn sich die Platzierungen unterscheiden, wird man bemerken, dass gewisse Modelle immer weit oben platziert werden.

 

Ulf Lundberg

Hauptrichter 08-OPEN

 

 


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